Inhalt
Kommentar |
In der Postille zum Dreikönigstag formulierte 1522, wie er sich die Rezeption von Gottes Wort vorstellte: Ein jeder sollte sich selbst und für sich ohne Beeinflussung durch Erläuterungen jeglicher Art mit der Bibel auseinandersetzen. „Hyneyn“ in das Wort, sollte der einzelne Christ. Aber konnte er das überhaupt zu Beginn des 16. Jahrhunderts? Diese Idee der unbeeinflussten Rezeption bedingte eine neue Art des Zugangs zu Texten generell, eine eigene ars legendi, die zunächst entwickelt und nachfolgend Teil eines Erziehungsprogramms werden musste. Um Leserinnen und Leser im Umgang mit literarischen und mithin interpretatorisch anspruchsvollen Texten zu schulen, kamen einige Textformen vorangegangener Jahrhunderte erneut, aber auch jüngere Gattungen ins Spiel: Fabel, Drama, Novelle, geistliches Lied, Prosaroman. Bereits vor Luther sahen sich die Rezipienten von Literatur der Notwendigkeit gegenüber, im Lesen selbst Stellung zum Gelesenen zu beziehen. Mit der Reformation jedoch wurde diese Anforderung Teil religiöser Bildung. Das Erlangen einer eigenen Position zum Text ist selbstverständlich weit entfernt von einer aufklärerischen Forderung nach der Befreiung des Menschen aus eigener Unmündigkeit, markiert aber doch einen wesentlichen Schritt in diese Richtung. Welche Rolle genau die Literatur hier gespielt hat, wird im Seminar erörtert.
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Zielgruppe |
Die Modulzuordnungen für diese Veranstaltung entnehmen Sie bitte dem kommentierten Vorlesungsverzeichnis der Germanistik (GVV):
http://www.germanistik-vv.uni-wuppertal.de |