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Kommentar |
Im antiken Rom sind Phänomene der Schmähung, Beleidigung und Herabsetzung ebenso mannigfaltig wie ubiquitär. Ihr weites Spektrum reicht von feiner (Selbst-)Ironie und gewitzter Doppeldeutigkeit bis zur aggressiven Anfeindung und plumpen Beschimpfung. Sie begegnen nicht nur ‚auf der Straße‘, sondern beispielsweise auch im Senat oder im Theater: Denn Schmähungen sind keinesfalls auf Alltagskommunikation beschränkt (vgl. z.B. Komödien; Graffiti); vielmehr finden sie sich auch in den verbalen Auseinandersetzungen der in ständiger Konkurrenz um Status befindlichen Angehörigen der römischen Oberschicht (vgl. z.B. Reden; Flugschriften). Wo genau die Grenzen des Sagbaren verliefen, hing von vielen Faktoren ab (Publikum, Raum, Medium, sozialer Stand des Angreifers wie des Angegriffenen, um nur einige zu nennen), die ein Römer natürlich internalisiert hatte, die jedoch für uns heute nicht immer leicht nachzuvollziehen und Gegenstand laufender Forschung sind.
Im Proseminar wollen wir uns dem literarischen Niederschlag des skizzierten Phänomens widmen: der Invektive (dt. meist ‚Schmährede‘). Der Begriff leitet sich vom erstmals im 4. Jh. n.Chr. belegten invectivus ab (vgl. TLL VII 2, 125,11ff.), das auf das medio-passive invehor in dessen übertragener Bedeutung ‚jmdn. verbal angreifen‘ zurückgeführt werden kann (vgl. TLL VII 2, 131,82-132,68; Koster 1980, 1). Freilich ist der bezeichnete Gegenstand deutlich älter und daher zuvor bereits mit anderen Begriffen belegt worden (z.B. vituperatio). Literarisch schließt die Invektive je nach Definition eine Vielzahl von Formen und Vertretern der Prosa und Poesie ein. Ebendiese Vielgestaltigkeit wollen wir uns im Seminar zunutze machen: Zum einen bildet die Auseinandersetzung mit ihr einen fruchtbaren Ausgangspunkt, um verschiedene Autoren und Gattungen der lateinischen Literatur kennenzulernen; zum anderen bietet sie Anlass, auch übergeordnete literaturwissenschaftliche Fragen zu diskutieren, wie z.B. die Definition und den Gegenstandsbereich der Invektive oder ihr Verhältnis zum Kanon antiker Gattungen. Unser Epochenschwerpunkt wird die römische Republik sein (2./1. Jh. v.Chr.), deren soziale wie politische Rahmenbedingungen die Produktion von Invektiven geradezu befördert zu haben scheinen. Der literarhistorische Bogen lässt sich von den Komödien des Plautus über Satiren des Lucilius hin zu den zentralen Vertretern der Invektive Catull und Cicero schlagen, wobei im letzteren Fall auch ein interessantes Schlaglicht auf die (vermutlich) kaiserzeitliche Rezeption am Beispiel eines fingierten(!) Schlagabtauschs zwischen Sallust und Cicero geworfen werden kann. Dieser Bandbreite an Texten wollen wir uns exemplarisch durch Übersetzung und Interpretation nähern, um uns selbst einen Begriff von den Formen und Funktionen der römischen Invektive zu machen.
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Literatur |
Severin Koster, Die Invektive in der griechischen und römischen Literatur, Meisenheim am Glan 1980.
Amy Richlin, The Garden of Priapus. Sexuality and Aggression in Roman Humor, New York/Oxford 1992.
Weitere Literatur wird im Seminar bekanntgegeben. |
Bemerkung |
Notwendig für die Teilnahme ist eine Anmeldung im entsprechenden Moodle-Kurs.
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Zielgruppe |
BA LAT 4c
BA LAT 5c |